„Die Schweiz braucht einen staatlichen Seed-Fonds!“ (Sonderbeilage Venture Capital Magazin - Jan 201

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31.01.2011
Frühphasenförderung wird in der Schweiz großgeschrieben: Durch die Kommission für Technologie und Innovation KTI fördert das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartment Jungunternehmer mit Coaching- und Ausbildungsangeboten. Über die Finanzierungsplattform CTI Invest unterstützt die KTI in öffentlich-privater Partnerschaft darüber hinaus auch die Kapitalvermittlung an Start-ups. Für die Gründerförderung in der Schweiz muss dennoch mehr getan werden, fordern Dr. Christian Wenger, Chairman

VC Magazin: Die Schweiz ist bekannt für erstklassige Hochschulen wie die ETH Zürich oder die EPF Lausanne. Ist die Schweiz auch ein Gründerland?
Wenger: Die Jungunternehmerbranche entwickelt sich Schritt für Schritt. Die Innovationsleistungen unserer technischen Hochschulen und Fachhochschulen werden sicher noch zu wenig kommerzialisiert und in Produkte und Märkte umgewandelt. Sicher ist, dass sich der Technologietransfer von den Hochschulen an die Unternehmen in den vergangenen Jahren erheblich professionalisiert hat.
Vuilleumier: Die Hochschulen in Zürich und Lausanne sind die beiden bedeutendsten technischen Hochschulen des Landes. Von diesen beiden Einrichtungen kommen auch die meisten Hightech Start-ups. Ein ganz großes, aber noch brachliegendes Potenzial liegt sicher noch bei den schweizerischen Fachhochschulen.
VC Magazin: Mit welchen Maßnahmen könnte der Gründerelan gefördert werden?
Vuilleumier: Was hierzulande völlig fehlt, ist eine direkte finanzielle Unterstützung der Jungunternehmer durch den Staat. In der Seed-Phase gehen deshalb viele gute Projekte verloren. Es gelingt uns nicht einmal festzustellen, ob die vielen guten neuen Ideen überhaupt umsetzbar sind – eine Verschwendung der an den Hochschulen geförderten Innovationskraft dieses Landes. Ein staatlicher Seed-Fonds, als Co-Investment- Gefäß aufgesetzt, könnte hier Abhilfe schaffen. Für die Wachstumsfinanzierung wären bereits Garantien der schweizerischen Eidgenossenschaft hinreichend. So könnten die jungen Firmen ihre weitere Entwicklung vorantreiben – und der Staat müsste dazu nicht einmal Geld in die Hand nehmen.
Wenger: Darüber hinaus müssen auch die breitere Bevölkerung und die Politik für das Thema sensibilisiert werden. Regelmäßig erscheinende Publikationen erfüllen dabei eine wichtige Aufklärungsfunktion. Wir werden deshalb gemeinsam mit Partnern dieses Jahr eine Sensibilisierungskampagne starten und eine Broschüre „Start-up-Strategie für die Schweiz“ veröffentlichen. Zieht man zudem das Risiko von Investitionen in Jungunternehmen in Betracht, so müssen sicher auch steuerliche Anreize Gegenstand von Diskussionen werden.
VC Magazin: Welche Rahmenbedingungen gelten für die Venture Capital-Branche in der Schweiz? Welche Verbesserungen würden Sie sich wünschen?
Wenger: Die strukturellen Rahmenbedingungen für Jungunternehmen in der Schweiz sind grundsätzlich gut. Das Arbeitsrecht lässt genügend Spielraum für eine flexible Unternehmensführung sowie die Integration von ausländischen Arbeitskräften. Das Gesellschaftsrecht genügt den Anforderungen sich rasch ändernder Kapitalstrukturen jedoch kaum mehr. Hier wäre es wünschenswert, wenn wir eine Gesellschaftsform für Venture Capital-finanzierte Unternehmen hätten, die kein nominelles Aktienkapital und keine Eigenkapitalvorschriften vorsieht. In der heutigen Situation verletzt jeder Verwaltungsrat einer Schweizer Jungfirma das Gesetz.
Vuilleumier: Nötig ist zudem eine klare Regelung der steuerlichen Konsequenzen für Business Angel-
Investitionen. Des Weiteren würde ich mir wünschen, dass die hier ansässigen weltweit tätigen Industriefirmen sich mehr für die einheimischen Start-ups interessieren würden. Um dies zu fördern, werden wir in diesem Jahr einen „Innovation Roundtable“ organisieren, ein Event, bei dem sich die Business Development-Verantwortlichen der großen Unternehmen sowohl mit den Start-ups als auch mit den Investoren treffen können.
VC Magazin:Wie beurteilen Sie den Schweizer Venture Capital-Markt im internationalen Vergleich? Vuilleumier: Die Schweiz steckt noch in den Kinderschuhen. Die meisten Politiker, aber auch die Bevölkerung verstehen nicht, dass Wagniskapital meistens eingesetzt wird, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Mit anderen Worten: Ein Großteil des investierten Geldes fließt dem Staat als Steuereinnahme wieder zu.
Wenger: Die Schweiz als Brutstätte für Innovation hat sich in den vergangenen Jahren erfreulich entwickelt. Um den durchschlagenden Erfolg für die einheimischen Innovationen zu erreichen, brauchen wir mehr international vernetzte Venture Capital-Firmen, die von der Schweiz aus operieren und gute Ideen und Produkte global vermarkten.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch! susanne.harrer@vc-magazin.de

Zu den Gesprächspartnern
Dr. Christian Wenger ist Chairman von CTI Invest, einer Finanzierungsplattform für Schweizer Hightech Startups. Er ist außerdem Vorstandsmitglied des Branchenverbands Swiss Private Equity & Corporate Finance Association (SECA) und Partner bei Wenger & Vieli Rechtsanwälte.
Jean-Pierre Vuilleumier ist Managing Director der CTI Invest und Geschäftsführer der W.A. de Vigier Stiftung. Seit über zehn Jahren ist er als Coach und Dozent für Jungunternehmertum tätig.

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