Schneider-Ammann: Etwas riskieren, um die Zukunft zu sichern

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Stefan Kyora

03.05.2016

Am Fintech & Digitization Day äusserte sich Bundespräsident Johann Schneider-Ammann zu bürokratischen Hemmnissen für Startups, besseren Rahmenbedingungen für Fintech und den Ideen zur Investition von Pensionskassengeldern in Schweizer Jungunternehmen.

Ein Treffen des Bundespräsidenten mit mehreren Jungunternehmern, Investoren und Corporates, die mit Startups zusammenarbeiten – das war bis vor kurzem noch eine Utopie. Doch gestern kam genau dieses Treffen zustande. Dies im Rahmen des Swiss Fintech & Digitization Days. Initiiert wurde der Tag vom Verband Swiss Finance Startups (SFS), der die Schweizerische Bankiervereinigung als Co-Veranstalter gewinnen konnte.

Der Tag bestand aus zwei getrennten Elementen: zwei Roundtable-Diskussionen, die in den Büros von Knip stattfanden (Knip-Mitgründerin Christina Kehl ist auch im Vorstand der SFS) und einem Event mit 300 geladenen Gästen im Zürcher Kaufleuten. Beim Roundtable präsentierten verschiedene Startups, Investoren und Corporates ihre Aktivitäten und sagten zudem, wo ihnen der Schuh drückt.

Die Themen:

Fintech-Regulierungen
Von mehreren Unternehmern wurde die unterstützende Haltung der FINMA gelobt. Doch es wurde auch mehrfach gefordert, etwa von SFS-Vertreter Urs Häusler, dass die heutige Aufsichtsbehörde auch den Auftrag erhalten soll, als Enabler für neue Technologien und Geschäftsmodelle zu agieren.

Darüber hinaus wurden neue Bewilligungskategorien wie eine Banklizenz light gefordert. Jan Schoch, Gründer und CEO von Leonteq, brachte die Idee einer modularen Regulierung für Fintech-Unternehmen ins Spiel, bei der die Anforderungen an Kapital und Organisation flexibel gestaltet sind. Die Regulierung sollte dem Unternehmen ermöglichen zu wachsen und Anforderungen stellen, die dem jeweiligen Wachstumsschritt angemessen sind.

Johann Schneider-Ammann äusserte sich während des Tages mehrfach zu der Thematik. Er bekannte freimütig den Begriff Fintech zum ersten Mal vor rund sechs Monaten gehört zu haben. Bemerkenswert war zudem seine Einschätzung, dass die Schweiz in Sachen Fintech klaren Nachholbedarf gegenüber Zentren wie etwa London hat. Dementsprechend erklärte er, dass er gern hilft, um Raum zu schaffen für Fintech in der Schweiz. Konkret versprach der Bundespräsident an einem Meeting mit Parlamentariern und Unternehmern zur Frage der Regulierung von schnell wachsenden Fintech-Startups teilzunehmen.

Startup-Finanzierung
Von Christian Wenger, Präsident von Swiss Startup Invest (vormals CTI Invest) wurde gegenüber dem Bundespräsidenten die Idee ins Spiel gebracht, ein Prozent der Pensionskassengelder in Startups zu investieren. Wenger betonte, dass es in der Schweiz nicht an Geld für die erste Phase der Startup-Entwicklung fehlt, dass aber Finanzierungsrunden zwischen fünf und zehn Millionen Franken eine grosse Schwierigkeit darstellen. Den Startups fehlt damit genau dann das Geld, wenn sie skalieren wollen. Dies hat auch schon zu Abwanderungen geführt. Wenger führte das Beispiel GetYourGuide an.

Der Bundespräsident sieht dieses Problem und wiederholte in seiner kurzen Rede im Kaufleuten, dass in der Schweiz tatsächlich Geld für die Finanzierung der Wachstumsphase von Startups fehlt. Grundsätzlich konnte er auch der Idee von Pensionskassengeldern für Startups etwas abgewinnen. Er sagte etwa: „Ein Prozent der Pensionskassengelder zu investieren, um die Zukunft zu sichern – dies scheint mir das Risiko wert.“ Er betonte allerdings auch, dass der Bund bei der Realisierung der Idee nicht den Lead übernehmen wird.

Vermögenssteuer
Natürlich wurde auch das drängende Problem der Vermögenssteuer für Startup-Gründer angesprochen. Dies Thema jedoch fällt auf Bundesebene nicht unter die Verantwortung des Wirtschaftsministers. Johann Schneider-Ammann versprach jedoch das Thema mit Finanzminister Ueli Maurer anzusprechen.

Bewilligungen für ausländische Arbeitnehmer
Arbeitsbewilligungen für Arbeitnehmer aus Staaten ausserhalb der EU zu bekommen, ist eine sehr aufwändige Angelegenheit und für Startups oft unmöglich. Dies stellt auch eine Schwierigkeit dar, wenn man ausländische Startups in die Schweiz holen will. „Die Beschaffung von Visa für die ausländischen Teilnehmer unseres Fintech-Accelerators war ein Alptraum“, sagte etwa Sebastien Flury von Fintech Fusion. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative über einen Inländervorrang diskutiert wird, der weiteren bürokratischen Aufwand nun auch für Mitarbeiter aus EU-Ländern befürchten lässt.

Beim Thema Inländervorrang zeigte sich Schneider-Ammann problembewusst. „Eine so aufwändige Regelung zum Inländervorrang wie vor den bilateralen Verträgen mit der EU wird es nicht geben“, erklärte der Bundespräsident. Weniger Musikgehör zeigte er bei der Frage nach der Kontingentierung für ausländische Mitarbeiter aus Staaten ausserhalb der EU. Hier verwies er darauf, dass die Kontingente auf Bundesebene nicht ausgeschöpft seien.

Bürokratische Hürden
Thomas Brändle von Swiss Finance Startups wies darauf hin, dass die Vorschriften für die Arbeitszeit-Erfassung nicht zur Arbeitsweise von Startups passen. Zudem müsste das Arbeitsgesetz entbürokratisiert werden.

Schneider-Ammann zeigte sich auch in diesem Punkt problembewusst und sagte: „Ich weiss, dass die Arbeitsgesetzgebung nicht ideal ist.“

Forderungskatalog
Zum Schluss regte Schneider-Ammann an, eine priorisierte Liste mit den Forderungen zu erarbeiten. Sie sollten zuerst die Forderungen enthalten, die schnell und relativ leicht umzusetzen sind. Niedrigere Priorität sollten Forderungen erhalten, die komplexer sind und deren Umsetzung mehr Zeit in Anspruch nimmt. Dann zeigte sich erneut die Qualität des Verbands Swiss Finance Startups. Die Vertreter hatten bereits einen solchen Katalog erstellt. Der Bundespräsident konnte diesen gleich mitnehmen.

Christina Kehl, die als Präsidentin von Swiss Finance Startups zu den Mitinitiatoren zählt, fasst zusammen: „Dieser Tag war für uns ein voller Erfolg! Startups treiben Innovationen und verändern mit mutigen Ansätzen ganze Branchen, dennoch ist es neben Grosskonzernen oft schwer, Gehör zu finden. Heute haben wir genau dies geschafft. Noch dazu haben wir einen wichtigen Grundstein gelegt, um hier in der Schweiz künftig gemeinsam mit den Banken und Versicherungen den Finanzplatz Schweiz der Zukunft zu formen. Davon werden am Ende alle Seiten profitieren.“

Claude-Alain Margelisch, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung, betont: „Nur durch Kollaboration der starken Banken mit den innovativen Fintech-Unternehmen können auch in Zukunft die Vielfalt des Schweizer Finanzplatzes bewahrt bleiben, Arbeitsplätze geschaffen werden und die Wertschöpfung in der Schweiz verbleiben.“

Zu den Partnern des Anlasses gehörten neben Knip auch die Stadt und der Kanton Zürich, die KTI, DigitalZurich2025 und Finance 2.0. Mehr Informationen und eine Fotogalerie finden sich auf der Webseite des Events.

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