«Die Zeit der stillschweigenden Duldung ist wohl vorbei»

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Jost Dubacher

29.11.2016

Tausende Unternehmen, auch viele Startups, werben mit ihrer Swissness. Am ersten Januar werden für den Gebrauch der Herkunftsbezeichnung Schweiz neue Bestimmungen in Kraft treten. Die Juristin Ewa Gillabert sagt, was sich ändert.

Als was, Frau Gillabert, würden Sie die Swissness-Vorlage bezeichnen. Als Liberalisierungs- oder als neues Regulierungspaket?
Interessanterweise beides: Einerseits treten neue Regeln in Kraft, welche die Unternehmen künftig zu beachten haben. Anderseits handelt es sich aber tatsächlich auch um eine Liberalisierung. Denn bis anhin war zum Beispiel der Gebrauch des Schweizer Kreuzes für gewerbliche Zwecke eigentlich verboten. Nun ist er – unter bestimmten Bedingungen – erlaubt.

Der zentrale Begriff heisst ‚eigentlich‘. Tausende von Unternehmen haben das weisse Kreuz auf rotem Grund trotz des Verbots verwendet und geschehen ist gar nichts. Wird sich das ändern?
Man kann nie in die Zukunft schauen, doch es spricht einiges dafür, dass die Zeit der stillschweigenden Duldung von Gesetzesverstössen wohl vorbei ist. Darauf lässt unter anderem die Tatsache schliessen, dass das revidierte Markenschutzgesetz die Klageberechtigten namentlich aufführt: Es sind dies – neben Mitbewerbern, die sich geschädigt fühlen – die Konsumentenschutzorganisationen, die einzelnen Kantone, Wirtschaftsverbände sowie das Institut für Geistiges Eigentum (IGE). Ausserdem hat das Parlament in Artikel 51a die Beweislast umgekehrt. Das heisst:  In Sachen Swissness ist es am Beklagten zu beweisen, dass er sich gesetzeskonform verhält.  

Was bedeutet das ganz konkret für Unternehmer, die in ihrem Marketing auf Swissness setzen?
Sie müssen ihre Buchhaltung im Griff haben. Sie müssen ihre Warenflüsse kennen und bereit sein, zu belegen, dass sie nur Produkte mit «Made in Switzerland» bewerben, welche den gesetzlichen Anforderungen genügen.

Kritiker behaupten, dass genau dies nicht so einfach sei; die einschlägigen Verordnungen liessen viel Ermessensspielraum.
Das ist richtig. Ich mache ihnen ein Beispiel. Industrieprodukte «made in Switzerland» müssen künftig einen Schweiz-Anteil von 60 Prozent haben. Andere Regeln gelten für «Schweizerische» Dienstleistungen. Hier betreffen die Vorschriften den Anbieter: Er muss seinen administrativen Sitz und seine Verwaltung in der Schweiz haben. Was gilt jetzt für die Betreiber einer Internetplattform? Stellt er ein Produkt her oder offeriert er eine Dienstleistung? Hier sind noch viele Fragen offen.

Wer wird diese Fragen beantworten?
Ab Januar ist die Rechtsprechung am Zug. Wenn es zu Verfahren kommt, werden die Richter entscheiden müssen, wie zum Beispiel eine Software zu behandeln ist; oder wie sich F+E-Investitionen oder der Aufwand für den Schutz von Marken, Patenten und Designs im Einzelfall auf ein Produkt anrechnen lassen. 

Gibt es eine Empfehlung, die Sie spezifisch an Startups richten können?
Startups werden in Punkto Swissness genau gleich behandelt wie etablierte Firmen; vor dem Gesetz sind sie alle gleich. Einen Hinweis habe ich indes für angehende Unternehmer im Dienstleistungssektor. Wenn sie den Begriff Schweiz oder die Namen von Kantonen, Gemeinden, Seen oder Bergen in ihren Firmennamen integrieren, unterstehen sie und ihre Marktleistungen automatisch den «Swissness»-Regeln. Bei einer Verlegung des administrativen Sitzes oder der Verwaltung ins Ausland müsste der Name geändert werden.

Ewa Gillabert arbeitet seit 2011 bei der Neuenburger Patentanwaltskanzlei P&TS. Zu ihren Spezialgebieten zählt die juristische Begleitung von Technologietransferprojekten und Lizenzvergaben.

 

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