Neue Steuerpraxis in Zürich: Teilerfolg, Mogelpackung, Ungleichbehandlung?

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Stefan Kyora

02.03.2016
NZZ Steuern

Die Änderung der Steuerpraxis bei der Vermögenssteuer für Jungunternehmer sorgt im Kanton Zürich für Diskussionen. Die Einschätzungen reichen von „Teilerfolg“ über „geht zu wenig weit“ bis „Mogelpackung“. Die NZZ nimmt das Thema auf die Titelseite und zeigt in einem Kommentar Verständnis für Steuererleichterungen als Mittel der Startup-Förderung.

Gestern hat das Steueramt des Kantons Zürich eine neue Steuerpraxis bei der Vermögenssteuer für Startup-Gründer bekannt gegeben. In den ersten fünf Jahren sollen die Anteile, die Gründer am Unternehmen halten, nicht mehr (allein) auf der Basis der Bewertung von Finanzierungsrunden, bewertet werden.

Die Entscheidung hat eine lebendige Diskussion ausgelöst. Im Folgenden ein Überblick:

Die Fakten erläutert Karim Maizar, Rechtsanwalt und Partner bei Kellerhals Carrard, in einem Post für die Swiss Finance Startups auf LinkedIn. Karim Maizar hält die Regelung für „zwar nicht umwerfend, aber doch besser und vor allem klarer als die bisherige.“

Anders die Reaktion von Roland Zeller, der in einer Blog-Serie das Thema beleuchtet hat. Seine Meinung ist, „dass die dreijährige Ausnahmefrist in der Praxis genau nichts bringen wird. Meist kriegt ein Startup erst im Jahr 3-6 relevante Geldmittel, die in der Regel innerhalb von 18 Monaten “verbrannt” werden um das Unternehmen möglichst rasch voranzubringen. Meist ist das Geld dann auch einfach weg – die hohe Steuerbewertung bleibt und auf dieser Basis zahlt der Startup-Aktionär dann brav jahrelang Vermögenssteuern auf virtuellem Vermögen.“ Sein Fazit lautet: „dass die getroffene Regelung nichts anderes als eine Mogelpackung ist, bei der die Finanzdirektion versucht, das Gesicht zu wahren und gegenüber der Oeffentlichkeit und Startups gut dazustehen.“

In der NZZ, die das Thema in der heutigen Ausgabe auf die Titelseite hebt, befürwortet André Müller in seinem Kommentar die Änderung, sieht aber gleichzeitig eine Ungleichbehandlung zugunsten von Startups und fordert eine klarere Regung auf Bundesebene.

In seiner Wortmeldung schildert Peter Hogenkamp, Mehrheitsaktionär und CEO von Newscron / Niuws seinen eigenen Fall. Beim Startup geht es wieder aufwärts. Sollte jedoch Ende 2016 eine Finanzierungsrunde mit einer "schönen Bewertungsrunde" durchgeführt werden, ist das Unternehmen schon über vier Jahre alt. Deswegen beschäftigt sich Hogenkamp mit dem Gedanken an einen Wohnsitzwechsel.

In einem Blick-Artikel äusserte sich auch der zuständige Zürcher Regierungsrat Ernst Stocker. In dem Artikel heisst es: „Dass sich die Start-ups benachteiligt fühlen, kann Stocker nicht verstehen. «Wir können für Start-ups keine Ausnahmen machen, als wären sie irgendeine besondere Spezies. Wenn jemand ein Malergeschäft eröffnet, können wir ja auch nicht sagen, der muss keine Steuern zahlen, nur weil er jung ist.»

Die Gegenseite in dem Artikel vertritt Stefan Steiner vom IFJ. Seine Kernaussage lautet: «Das Ganze ist eine Scheinlösung und zielt am eigentlichen Problem vorbei. Die Frist von drei Jahren ist immer noch viel zu kurz. Besonders Startups im Bereich High-Tech benötigen mehr Zeit, um ihre Produkte überhaupt erst auf den Markt zu bringen. Sinnvoll wäre es, wenn man die Besteuerung beim Exit anschauen würde. Denn dann ist der Preis bestimmt und auch Geld vorhanden, um die Steuern bezahlen zu können.»

Die Idee beim Exit zu besteuern, findet auch der Steuerexperte Karim Maizar interessant. In einem Artikel auf Startwerk sagt er: «Die Besteuerung soll erst in Kraft treten, wenn ein Exit realisiert wird. Das würde die Unternehmer und ihre Mitarbeiter enorm entlasten. Das ginge aber nur mit entsprechenden Gesetzesänderungen.»

Am Donnerstag, 3. März, veröffentlichte der Blick einen weiteren Artikel mit Kommentaren von Sunnie Groeneveld, Geschäftsführerin Digital Zurich 2025, und Christian Wenger, Partner der Anwaltskanzlei Wenger & Vieli, Präsident von CTI Invest, und seit Jahren einer der wichtigsten Förderer der Startup-Szene. Im Artikel betonen beide, dass die Praxisänderung in die richtige Richtung geht. Groeneveld spricht von einem wichtigen Signal, Christian Wenger sagt: „Die Steuerbehörde hat gute Arbeit geleistet und einen wichtigen Pflock eingeschlagen.“ Gleichzeitig betonen beide, dass die jetzt gefundene Lösung noch nicht optimal ist. Wenger fordert eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen auf nationaler Ebene.   

In einem längeren Text bezog Sunnie Groeneveld noch einmal Stellung. Sie betont, dass auf Seiten der Startups in zwei Dingen Einigkeit herrscht: 1. Dass das Thema Steuern für Startups in der Zürcher Kantonsregierung auf der Agenda steht, ist ein grosser Fortschritt. 2. Die momentane Steuerlösung ist ein Zwischenschritt. Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial auch bei anderen Rahmenbedingungen für Startups. Um diese Verbesserungen zu realisieren, sei es nötig an einem Strang zu ziehen, "nur so haben wir eine Chance, Zürich und die Schweiz zu einem führenden digitalen Innovationshub von Europa zu machen, mit allem was dazugehört, inkl. den richtigen politischen Rahmenbedingungen."

In einem Interview mit Startwerk, das am 14. März veröffentlicht wurde, geht Beat Schillig, geschäftsführender Partner des IFJ und Business Angel, mit der Besteuerungspraxis im Kanton Zürich hart ins Gericht. Er stellt einen Fall aus seiner Praxis als Investor vor. Ein Startup, an dem er sich beteiligt hat, entwickelte sich sehr positiv, so das Schilligs Anteile nach einer grossen Finanzierungsrunde mehrere Millionen Franken Wert waren. Wäre das Startup im Kanton Zürich domiziliert gewesen, hätte Schillig 300‘000 Franken Vermögenssteuern zahlen müssen. Inzwischen hat sich das besagte Startup allerdings negativ entwickelt, so dass Schillig sein Investment verloren hat. Bei einem Zürcher Startup wäre zu diesem Verlust auch noch die bezahlte Vermögenssteuer gekommen. Schilligs Fazit „Das Praxis-Beispiel zeigt, dass die neue Zürcher Steuerpraxis der Bewertung des Steuerwerts anhand des letztbezahlten Aktienpreises im Rahmen einer Finanzierungsrunde katastrophale Konsequenzen für den Startup- und Innovations-Standort Schweiz mit sich bringt.“ Die Praxisänderung des kantonalen Steueramtes von Anfang März wird in dem Artikel dabei als Rückschritt gesehen. Mit der neuen Praxis ersetze „der Kanton Zürich seine vorher willkürliche Praxis durch eine Praxis, welches die Besteuerung des Vermögens aller Aktionäre zum letztbezahlten Aktienpreis eines neuen Investors im Rahmen einer Finanzierungsrunde zum Standard erhebt.“

Ein reales Beispiel aus Praxis liefern die beiden Gründer von Climeworks in einem Interview mit Startwerk. Sie schildern dort, dass sie eine Rechnung für Vermögenssteuern für 2015 erhalten haben, die 50 Prozent ihres Bruttolohnes ausmacht. Sie sind nun mit dem Steueramt im Gespräch, prüfen aber auch einen Standortwechsel.

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